Flaniermeile Volksdorf
– ein Leserbrief

Das von der Kaufmannschaft und den Bürgerinnen und Bürgern selbst organisierte Stadtteilfest war und ist die bessere „Flaniermeile“. Und besser akzeptiert als dieser Versuch, Volksdorf auf autoarm umzuschulen. Nächster Schritt: Vormittagskurse „Dreiradfahren für Rentner“? Für Rentner, die mit der Rente nicht auskommen und arbeiten müssen, gerne parallel auch als Abendkurs.
Im Ernst:
Zum Thema „Flaniermeile“ ist ja einiges gesagt und geschrieben worden. Und auch heute dürfte noch die Faustregel unserer damaligen Leserbrief-Redakteurin für die Themenauswahl ihrer Veröffentlichungen richtig sein: „Auf einen geschriebenen Leserbrief kommen 100 ungeschriebene zum selben Thema.“ Offenbar trifft das in Hamburg im Allgemeinen und in Wandsbek im Besonderen auf taube Ohren und blinde Augen, verständlich, denn nach meiner Beobachtung war und ist alles längst entschieden und die Einbindung der Bevölkerung eine Farce. Ich habe mich deshalb aus den sehr engagierten, aber meist ungehörten Bürger-Gruppen beizeiten verabschiedet, für die – nüchtern betrachtet – eine demokratische Legitimation letztlich genauso fehlt wie für die paar Peoples, die bei der sogenannten Einbindung der Bevölkerung überhaupt zu Wort kommen.
Eine „Flaniermeile“ in der jetzigen Form ist der Todesstoß für das zentrale Volksdorf als Einkaufszentrum und Ortsmittelpunkt. Die Theoretiker hinter den Plänen verkennen, dass man ins Dorf kommt, um einzukaufen. Oder zum Arzt, in die Apotheke oder zur Bank zu gehen. Und danach erst geht man bummeln und belohnt sich mit einem Kaffee oder einem Eis. Nicht umgekehrt. Flanieren heißt: „Ziellos bummeln, Einkauf bitte woanders!“.
Wenn jetzt das Volk dazu verpflichtet wird, das Auto stehen zu lassen und aufs Rad zu steigen, um ins Dorf zu kommen, dann sind Rentner wie ich, also ab 60, 70 aufwärts, außen vor, wenn sie keinen Behindertenparkausweis haben oder sich kein Taxi leisten können. Der sogenannte ÖPNV ist in Volksdorf eine nahezu sinnleere Alibiveranstaltung: Die meisten Volksdorfer, soweit sie auf Transport angewiesen sind, wohnen keineswegs im 15-Minuten-Radius einer Haltestelle. Und Ringlinie? Wenn ich z.B. vom Ahrensburger Weg zum Huusbarg fahren möchte, muss ich den Bus am U-Bahnhof verlassen und dann einen zweiten Fahrschein kaufen…
In anderem Zusammenhang werden solche dirigistischen Umschulungsmaßnahmen Altersdiskriminierung genannt – eine große Bevölkerungsgruppe wird ausgegrenzt.
Zum Einkauf also bitte nur noch in die Einkaufszentren und Supermärkte an der Peripherie? Warum auch nicht, ohne Individualverkehr halten sich im Dorfzentrum mittelfristig eh nur noch Cafés in extremen Konkurrenzsituationen, Banken mit Automatenservice, Filialisten mit bundesweit demselben Angebot, subventionierte Pop-up-stores oder -Galerien. Schade eigentlich.
Ich bin froh, dass die FDP sich hier kritisch engagiert. Viel Erfolg!
Herzliche Grüße
Ernstwalter Clees
Wer darüber hinaus über das Projekt lesen möchte kann dies hier tun. –>VOLKSDORFER ZEITUNG
Fotocredit: Martina Gruhn-Bilic